Corona – Die größte Chance, die wir je hatten.

Corona – Die größte Chance, die wir je hatten.

Corona – Die größte Chance, die wir je hatten.

Vor einigen Tagen hat mich die Nachricht einer Administratorin von einer Facebook-Gruppe zum Corona-Virus berührt: Weil so viele negative und aggressive Kommentare in der Gruppe waren, waren ihre Mitadministratoren überfordert und haben sich kurzfristig abgemeldet – und selbst diese Frau war hart an ihrer Grenze. Und hat dann zum Glück viel Zuspruch von anderen Kommentator*innen bekommen.

Ja, diese Krisenzeit bringt uns alle an unsere Grenzen, vor allem emotional. ABER: Diese Corona-Krise ist auch eine Riesen-Chance, vielleicht die größte, die die Menschheit je hatte – und warum das so ist, dass will ich im Folgenden beschreiben.

Ich beschreibe im folgenden jeweils eine These und meine Argumente dafür:

Für eine weltweite Krise ist diese Situation noch relativ mild.

1. Covid-19/SARS-CoV-2/Corona ist im Wesentlichen gefährlich für alte Menschen,

und für solche, die deutlich vorbelastet sind (s.z.B. hier The Guardian). Wenn wir ein paar Jahrhunderte zurückschauen (noch nicht mal Jahrtausende!), dann sehen wir, dass es die meiste Zeit unserer Menschheitsgeschichte völlig normal war, dass alte und schwache Menschen irgendwann plötzlich gestorben sind. Ganz früher vor allem in Zeiten von Nahrungsmittelknappheit, die es immer wieder gab, und die letzten Jahrhunderte dann immer mehr durch (weniger entwickelte) Hygiene, Infektionen, Mangelernährung, und seit der Industrialisierung auch ungesunde Umweltbedingungen.
Was auch immer der Grund war: Es war normal, dass Menschen über 50 Jahren gestorben sind, und damals war es auch egal ob das dann ein Krebs war, ein Herzinfarkt oder eine Grippe.
Erst seit ca. 200 Jahren ist unsere Lebenserwartung rapide gestiegen, s. z.B. diese Graphik von https://ourworldindata.org/life-expectancy#life-expectancy-has-improved-globally :

Lebenserwartung, historisch (OurWorldInData)

Wichtig zu wissen ist hier, dass die ganzen Jahrtausende zuvor die Lebenserwartung relativ gleich war, und erst seit ca. 1800 deutlich gestiegen ist – vor allem durch bessere Hygiene und später durch Antibiotika und andere medizinische Innovationen.

Wenn wir mal für den „worst case“ einfach annehmen, dass 1% der heutigen Menschheit an Corona sterben würde innerhalb des nächsten Jahres, und diese Menschen im Schnitt fünf Jahre vor ihrem Lebensende ohne Corona stehen, dann würde das insgesamt bedeuten, dass unsere Lebenserwartung insgesamt um 1% x 5a = ca. 18 Tage (!) sinken würde. Im gegenwärtigen Trend der Entwicklung von lebensverlängernden Mitteln und Maßnahmen würde das in der Lebenserwartungs-Kurve wahrscheinlich nicht einmal auftauchen. (Ausgeklammert ist hier natürlich das menschliche Leid, das mit Krankheit und Tod verbunden ist und das ich nicht verleugnen will; ich möchte hier nur einmal diese Krankheit auf die Menschheitsgeschichte insgesamt in Bezug setzen – und da ist diese Krankheit relativ mild.)

2. Diese Corona-/SARS-CoV-2 Krankheit, so neu und unerforscht sie auch ist, lässt sich relativ klar eingrenzen: Das hier ist kein Killer-Virus

und kein Bakterium mit Gene-Drive, das aus einem geheimen Genlabor irgendwo in Russland entkommen ist und das uns alle umbringen könnte (so etwas könnte es auch irgendwann geben) – und es ist auch keine Bio-Waffe von verrückten Terroristen, die die Weltherrschaft an sich reißen wollen.
Nein, es ist ein relativ simpler Grippevirus, dessen Pandemie selbst im schlimmsten Fall irgendwann vorbei wäre – und danach würde er ein normales Grippevirus-Dasein fristen, wie all die vielen anderen Grippeviren auch, die einfach ein Teil der Menschheit geworden sind.
Zudem können wir relativ konkrete Maßnahmen ergreifen, wie die, die momentan von Regierungen weltweit beschlossen werden, wie eingeschränkte Bewegungsfreiheit, Erhöhung von Krankenhauskapazitäten usw. – Andere Probleme, die wir ja auch noch haben, sind da viel krasser: Der Klimawandel z.B., der uns noch die nächsten Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende begleiten wird, oder die Umweltvergiftung mit Stoffen, deren Auswirkung wir noch nicht einmal kennen (und das ist nicht nur Mikroplastik, sondern viele andere unnatürliche und toxische Stoffe die wir ständig in die Umwelt einbringen), Insektenverlust, Verlust von fruchtbaren Böden weltweit oder auch so etwas wie künstliche Intelligenz, die sich in manchen Szenarien gegen die Menschheit wendet und diese bedroht. – All diese anderen Probleme lassen sich nicht durch ein paar Monate zuhause bleiben lösen.

3. Für die meisten von uns bringt diese Krankheit keine Beeinträchtigung.

Selbst wenn wir uns mit Corona/SARS-CoV-2 anstecken, verläuft für die meisten von uns Krankheit sehr mild (s. Guardian-Link oben), manche werden es nicht einmal merken dass sie sich angesteckt haben. Es ist also nicht etwas wieder Ebola-Virus, der komplette Regionen lahmlegen könnte, oder wie die Pest im Mittelalter, wo mehr als die Hälfte der Menschen gestorben sind. Die meisten von uns werden ihr Leben nach ein paar Tagen oder Wochen ohne Einschränkungen fortführen können und somit auch die anderen unterstützen können, die davon betroffen sind.

Diese Krise ist eine Riesen-Chance:

1. Warum also ist diese Corona-Krise eine Riesenchance für uns?

Zunächst mal ist sie das für uns als Individuen: Wann hatten wir in dieser rasenden Zeit mit Burnout, Psychopharmaka, Depressionen und Sinnkrisen das letzte Mal so viel Zeit alleine zu Hause? Völlig unverplant… Und wir können nicht einmal uns selbst ablenken durch Partys, Reisen, Einkaufen… nicht einmal in die Kneipe um die Ecke können wir gehen! Wenn vor einem Monat eine befreundete Mutter zu dir gesagt hätte „Ich will endlich mal einen Monat Zeit für mich haben, keine Kinder in die Schule bringen, keine Arbeit, keine Leute die irgendetwas von mir wollen, sondern nur Zeit, um über mein Leben nachzudenken und mich mal um meine Familie und mein eigenes Wohlbefinden zu kümmern.“ – Wie viel Chancen hättest du deiner Freundin eingeräumt?! Und jetzt kommt diese Gelegenheit von selbst. – Diese Chance ist einmalig, und es liegt an uns, sie zu nutzen.

2. Und das Beste daran ist: Alle sind gleichermaßen betroffen!

Keiner von uns kann sich freikaufen – kein CEO, kein Präsident, kein Warren Buffett. Die ganze Welt steht still, für alle von uns. (Außer die Ärzt*innen, Pflegepersonal etc. die natürlich mehr als 100% geben in dieser Zeit – mein virtueller Beifall für sie hier an dieser Stelle.) Und klar, Alleinerziehende und Flüchtlinge und die Menschen der ärmsten Länder trifft es im Krankheitsfall deutlich härter – aber alleine dass wir alle von den Maßnahmen gleichermaßen betroffen sind ist doch schon eine Art von „Gleichberechtigung“, die so noch nie da war.

3. Keine*r von uns kann hinterher mehr sagen, er/sie verstünde nicht, was eine Exponentialkurve ist.

Das Phänomen von exponenziellem Wachstum, bisher schwer zu verstehen, wird bei Corona ganz klar: Heute 100 Erkrankte, übermorgen 200, in 4 Tagen 400. Am Anfang war es noch was Besonderes, jemanden zu kennen, der in einem „Corona-Risikogebiet“ war vor kurzem. Dann war ganz Deutschland Risikogebiet, und jetzt gibt es immer mehr Menschen im eigenen Umfeld, die schon getestet wurden – oder infiziert sind. – Dann können wir vielleicht auch endlich kapieren, dass der Klimawandel irgendwann richtig krasse Folgen haben wird – auch wenn wir das heute noch nicht (ganz) spüren können – und dass es daher wichtig ist, HEUTE zu handeln. Weil es sonst zu spät ist.

4. Wir sehen wieder einmal, wieviel Wert in einem einfachen, lokal verwurzelten Leben steckt:

Wenn Sorgen umgehen, ob irgendwann die Versorgung zusammenbricht, dann kriegt ein eigener Garten, die Gemüsekiste vom Bauern nebenan, ein stabiles soziales Netzwerk ganz neue Bedeutung.

Diese Krankheit hat klare Gründe: Wir leben nicht nachhaltig.

1. Die Globalisierung hat uns fest in der Hand, alles ist miteinander vernetzt.

Wir jetten von China nach Italien und von dort weiter in die USA. Davor macht natürlich kein Virus Halt. Zum Vergleich: Ameisen gibt es auch auf der ganzen Welt, als zusammengefasste Biomasse sogar deutlich mehr als Menschen. Und dennoch: Wenn es einen neuen Ameisen-Parasiten irgendwo in China gäbe, würde es lange dauern, bis er nach Europa kommen würde – geschweige denn nach Amerika (außer wir als Menschen transportieren ihn dorthin…). Unser Verhalten auf diesem Planeten ist einfach nicht natürlich, da brauchen wir uns nicht wundern, wenn auch Krankheiten und Parasiten uns auf natürliche Art und Weise treffen. – Dazu kommt, dass das Virus anscheinend von einem Tier kam, das eigentlich gar nicht hätte gejagt werden dürfen – d.h. wir dringen in die letzten Ökosysteme des Planeten ein und holen uns dort Erreger, die wir sonst nie gesehen hätten.

2. Wir als menschliche Rasse leben viel enger zusammen, als es unser biologisches Gleichgewicht wäre.

Wenn du andere Primaten (Schimpansen oder dergleichen) in der gleichen Dichte in eine Millionenstadt wie Tokio stecken würdest, würden sie sich gegenseitig umbringen, oder anderweitig durchdrehen. Wir schaffen das nur, weil wir irgendwann mentale Kapazitäten und Systeme erschaffen haben (Sprache, Religion, gesellschaftliche Konventionen – s. das Buch „Sapiens“ von Yuval Harari), die nur in unserem Kopf existieren und die uns unter anderem auch helfen, auf engem Raum zusammenzuleben und hoch spezialisiert die Umwelt für unsere Zwecke umzugestalten – und auszubeuten. Wären wir in der Bevölkerungsdichte nur bei dem Wert von ca. 1800 geblieben (ca. eine halbe Milliarde, siehe Graph von „ourworldindata.org“, hätte der Virus viel schlechtere Karten, und wenn wir noch in Stämmen von 100-200 Personen wie zur Steinzeit unterwegs, dann wäre er nach ein paar Wochen wahrscheinlich ausgestorben.

Weltbevölkerung, historisch

In Kürze also: Wir sind weit weg von unserem natürlichen biologischen Gleichgewicht in den Ökosystemen dieser Welt in der wir leben. Und gleichzeitig wollen wir aber nach humanistischer Moral alle Menschenleben so gut es geht erhalten, auch die von unseren älteren Mitmenschen – und das geht zwar und ist ethisch sicher gut und wichtig, hat aber große Kosten für die Gesellschaft, die Wirtschaft und so weiter.

Diese Krise ist unsere Chance zum Umdenken und Überleben als Menschheit.

1. Krisen und Probleme gab es genug die letzten Jahre, nicht nur den Klimawandel:

Siehe die Kreisgrafik zu planetaren Grenzen und wie viele davon schon überschritten sind:

„Planetary Boundaries“ (Felix Müller – nach Johan Rockström et al. 2009)

Allerdings gab es bisher zu viele „Wachstumszwänge“ und andere „Alternativlosigkeiten“, sodass zum Beispiel trotzdem der immer klarer werdenden katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels die COPs wie Paris 2015 immer noch keinen wirklichen Erfolg hatten – die Kräfte aus den existierenden Strukturen in Wirtschaft, verwoben mit Medienpolitik waren einfach zu stark. Aber jetzt sehen wir: Die Welt dreht sich weiter, auch wenn keiner SUVs zusammenbaut oder die neue Digitalisierungsinitiative der Bundesregierung vorantreibt.

Das, was wir wirklich brauchen, ist Ernährungsversorgung und eine gewisse Infrastruktur für gesundheitliche Versorgung und Bildung. Punkt. Und vieles andere was uns als unabdingbar für den Erhalt der Menschheit verkauft wird, ist gar nicht so nötig – das sehen wir jetzt.
Das ist unsere Chance: Wie wäre es, auch nach der Coronakrise nicht mehr in den Urlaub zu fliegen, und überhaupt viel mehr zu Hause zu bleiben? Wie wäre es, uns lokal zu ernähren und auf ganz viele Konsumgüter verzichten, die uns sowieso nicht glücklich machen? Und stattdessen mehr Zeit im Garten und mit unseren Kindern und Nachbarn zu verbringen – zum Beispiel in der Zeit, die wir weniger arbeiten, weil wir sowieso nicht zu viel Geld brauchen wie vorher? (s. „After Work“ von Tobias Rosswog)

2. Wir lernen jetzt in dieser Zeit:

  1. Wie wenig es braucht, um die persönlichen Grundbedürfnisse zu decken.
  2. Welche Arbeiten und Wirtschaftszweige wirklich gebraucht werden – und welche nicht.
  3. Wieviel Änderung wir tatsächlich vollbringen können, bei uns selbst und als Gesellschaft – wenn wir wollen!
  4. Wieviel besser lokale Strukturen funktionieren in solchen Situationen: Lokale Versorgung mit Lebensmitteln, Leben in Gemeinschaft mit anderen, etwas Platz und Natur um uns herum zu haben und vieles andere.
  5. Und wir bekommen als Menschheit ein Gefühl dafür, dass wir auch Klimawandel, Umweltvergiftung etc. in den Griff bekommen können wenn wir wollen! Wenn wir Corona zusammen geschafft haben, dann schaffen wir auch den Wechsel zu einer Welt ohne Öl, ohne Wirtschaftswachstum, ohne Raubbau am Planeten.

 

Zusammenfassung

Die Corona-Krise, in der wir gerade stecken, ist relativ mild – verglichen mit dem was sonst noch so passieren könnte und was uns erwartet die nächsten Jahre:

  • Diese Zeit jetzt gibt uns eine nie dagewesene und große Chance, mit uns selbst neu in Kontakt zu kommen und dem Sinn unseres Lebens näher zu kommen.
  • Diese Krise hat klare Gründe, und sie zeigt uns, dass wir als Menschheit weit weg sind von unserem natürlichen Gleichgewicht in der Welt.
  • Diese Krise zeigt uns, dass wir als Menschheit zu vielem in der Lage sind, was die letzten Jahre als unmöglich galt im Mainstream-Denken – und in den Köpfen der meisten Menschen. Und dass wir damit viel größere Probleme in den Griff bekommen können – wenn wir wollen.

Diese Krise also eine Riesenchance für uns als Menschheit, um uns weiter zu entwickeln und die riesigen Probleme wie Klimawandel, die uns immer noch begleiten, in den Griff zu bekommen.

Aber es liegt an uns, diese Chance auch wahrzunehmen! Wenn wir dies nicht tun, so werden uns die bisherigen Krisen nach der Corona-Zeit umso mehr einholen. Dann werden wie noch viel tiefere und längere Krisenzeiten sehen als wir sie jetzt erleben.

 

Ressourcen:
Dank an iXimus von pixabay für das Titelbild, an OurWorldInData für Daten+Charts und an Felix Müller/Johan Rockström für das Chart “Planetare Grenzen”.
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